Rudolf Steiner:
Makrokosmos und Mikrokosmos
(GA 119, Wien 22.03.1910 - 2. Vortrag)


Wenn Sie zurückgehen würden in alte Zeiten, so waren diese drei Namen diesen drei Kräften gegeben, und wenn diese jetzt gebraucht werden für andere Dinge, so sind sie nicht ursprünglich, sondern entlehnt. Ursprünglich sind diese Namen diesen drei Kräften gegeben. Diejenige Kraft, die auf die Empfindungsseele beim Einschlafen und Aufwachen wirkt, bezeichnete man mit einem Namen, welcher in alten Sprachen sich decken würde mit dem Worte Mars. (Während der folgenden Ausführungen werden der Zeichnung von Seite 69 die Namen Mars, Jupiter usw. hinzugefügt; siehe Zeichnung Seite 75.) Mars ist nichts anderes als ein Name für diejenige Kraft, die auf die Empfindungsseele wirkt, welche des Abends den Menschen heraustreibt aus seinen Leibeshüllen und des Morgens wiederum hineinschickt. Diejenige Kraft, welche wirkt auf die Verstandes-oder Gemütsseele, nach dem Einschlafen und vor dem Aufwachen, sie ist jene Kraft, welche die Welt der Träume hineintreibt in die Verstandes. oder Gemütsseele ?? diese Kraft führt den Namen, der sich decken würde mit dem Worte Jupiter. Und diejenige Kraft, welche in besonderen Verhältnissen den Menschen zum Nachtwandler machen würde, die also während des Schlafzustandes auf des Menschen Bewußtseinsseele wirkt, die trägt im Sinne der alten Geisteswissenschaft den Namen Saturn. So daß man also im Sinne der Geisteswissenschaft redet, wenn man sagen würde, Mars hat den Menschen eingeschläfert, Jupiter hat dem Menschen Träume in seinen Schlaf geschickt, und der dunkle finstere Saturn ist die Ursache, die den Menschen, der seinem Einflusse nicht widerstehen kann, in seinem Schlafe aufrüttelt und zu unbewußten Handlungen treibt. Bei diesen Namen dürfen Sie also nicht an das denken, was sie im Sinne der gewöhnlichen Astronomie bedeuten. Vorläufig wollen wir ihre ursprünglichen Bedeutungen nehmen, welche Kräfte bezeichnen, die durchaus geistiger Art sind und die auf den Menschen wirken, wenn er außerhalb seines physischen Leibes und seines Äther- oder Lebensleibes in der geistigen Welt sich befindet, während er schläft.

Nun, wenn der Mensch am Morgen aufgewacht ist? ich habe einen Punkt hingezeichnet zu diesem Aufwachen aus dem Grunde, weil ja der Mensch mit dem Aufwachen in der Tat in eine ganz andere Welt tritt?, was geschieht denn, wenn der Mensch aufwacht? Da wird er in eine Welt versetzt, die eigentlich der heutige normale Mensch allein als die seinige ansieht, in welcher ihm von außen entgegentreten die Eindrücke auf seine Sinne. Diese Eindrücke auf seine Sinne, die werden so bewirkt, daß er nicht hinter die sinnlichen Eindrücke hinschauen kann. Sie sind einfach da, sie treten, wenn er des Morgens aufwacht, vor seine Seele hin. Wenn der Mensch auf-Aber noch etwas anderes ist für den Menschen da, nämlich, daß er wacht, ist der ganze Teppich der Sinneswelt vor ihm ausgebreitet. nicht nur mit seinen Sinnen wahrnimmt diese äußere Welt, sondern daß er dann, wenn er dieses oder jenes von dieser äußeren Welt wahrnimmt, immer etwas dabei empfindet. Wenn auch die freudige Empfindung bei der Wahrnehmung irgendeiner Farbe noch so gering ist, es ist ein innerer seelischer Vorgang, eine gewisse Empfindung da. Denn jeder wird sich klar sein, daß auf ihn die violette Farbe anders wirkt als die rote, und die blaue anders als die grüne. Alle äußeren Sinneseindrücke wirken so, daß sie innerliche Zustände hervorrufen. Alles dasjenige, was so die äußeren Sinneseindrücke an Empfindungen hervorrufen, das gehört der Empfindungsseele an, während wir die Ursache im Menschen, warum er die Sinneseindrücke empfangen kann, den Empfindungsleib nennen. Der Empfindungsleib verursacht, daß der Mensch Gelb oder Rot sieht. Die Empfindungsseele ist schuld daran, daß er über dieses Gelb oder Rot dieses oder jenes empfindet. Wir müssen haarscharf unterscheiden:

Dasjenige, was uns von außen vor die Seele gezaubert wird, das verursacht der Empfindungsleib; dasjenige, was wir innerlich dabei erleben, Lust und Leid oder irgendeine Nuance von jenem Eindruck, den die Farbe auf uns macht, das gehört zur Empfindungsseele. Am Morgen beginnt die Empfindungsseele hingegeben zu sein an die Eindrücke des Empfindungsleibes, wir könnten auch sagen, an die Eindrücke der Außenwelt, die sie durch die Kräfte des Empfindungsleibes aufnimmt. Dasselbe also, was in der Nacht während des Schlafes dem Marseinfluß ausgesetzt war, die Empfindungsseele, das wird am Morgen beim Erwachen den Eindrücken der äußeren Welt ausgesetzt, das wird hingegeben der sinnlichen Welt. Nun bezeichnen wir die gesamte Sinneswelt, insofern sie in unserer Seele gewisse Empfindungen von Lust und Leid, Freude und Schmerz hervorruft, im Sinne der Geisteswissenschaft wiederum mit einem besonderen Namen, mit dem Namen Venus. Ich bitte wiederum, nichts anderes sich darunter zu denken als das, was eben charakterisiert wurde, also dasjenige, was auf unsere Empfindungsseele als Einfluß sich geltend macht aus dem äußeren Teppiche der Sinneswelt heraus, der uns nicht gleichgültig und kalt läßt, sondern uns mit gewissen Empfindungen erfüllt. Diesen Einfluß auf unsere Empfindungsseele, der sich vom Morgen an geltend macht, den bezeichnet man als die Kraft der Venus. So daß wir, ebenso wie wir den Einfluß auf die Empfindungsseele nach dem Einschlafen als Mars bezeichnet haben, diesen Einfluß nach dem Aufwachen als Venuskraft bezeichnen.

Ebenso findet aber aus der physischen Welt heraus ein Einfluß statt auf unsere Verstandes- oder Gemütsseele, während sie während des Tages untergetaucht ist in den leiblichen Hüllen, das ist derjenige Einfluß, durch den wir uns den äußeren Eindrücken der Sinneswelt entziehen und diese verarbeiten können. Merken Sie, daß ein Unterschied ist zwischen dem Erleben in der Empfindungsseele und dem Erleben in der Verstandes- oder Gemütsseele; die Empfindungsseele erlebt nur so lange etwas, solange der Mensch der Außenwelt hingegeben ist; sie empfindet eben die Eindrücke der Außenwelt. Wenn aber der Mensch während des Tagwachens einmal eine Weile gar nicht achtgibt auf die Eindrücke der Außenwelt, sondern die äußeren Eindrücke nachklingen läßt und sie verarbeitet in seiner Seele, dann ist der Mensch seiner Verstandesseele hingegeben. Diese ist also etwas mehr selbständig gegenüber der Empfindungsseele. Diejenigen Einflüsse nun, die es möglich machen, daß der Mensch während des Tageslebens nicht nur sozusagen immer dasteht, seine Augen offen und anglotzt den äußeren Sinnesteppich, sondern daß er seine Aufmerksamkeit abwenden kann von alle dem und Gedanken formen kann, durch die er die Eindrücke der Außenwelt kombiniert und sich selbständig machen kann gegenüber der Außenwelt, diese Einflüsse bezeichnen wir als die Kraft des Merkur. So daß wir also sagen können: Wie in der Nacht auf unsere Verstandes- oder Gemütsseele die Jupitereinflüsse sich geltend machen, so machen sich während des Tages die Merkureinflüsse geltend auf unsere Verstandes- oder Gemütsseele. ? Merken Sie, daß eine gewisse Korrespondenz besteht zwischen den Einflüssen des Jupiter und des Merkur. Die Einflüsse des Jupiter sind beim heutigen normalen Menschen so, daß sie als Traumbilder in sein Seelenleben hereindrängen, die entsprechenden Einflüsse während des Tages, die Merkureinflüsse, wirken als seine Gedanken, als seine inneren Erlebnisse. Doch bei den Jupitereinflüssen im Traume weiß der Mensch nicht, woher die Dinge eigentlich kommen, während des Tagesbewußtseins, bei den Merkureinflüssen, weiß er es aber. Es sind auch innerliche Vorgänge, die in der Seele ablaufen als innere Bilder. Das ist die Korrespondenz zwischen den Einflüssen des Jupiter und des Merkur.

Nun gibt es aber auch solche Einflüsse, die während des Tages auf die Bewußtseinsseele wirken. Was ist denn eigentlich für ein Unterschied zwischen Empfindungsseele und Verstandes- oder Gemütsseele und Bewußtseinsseele? Nun, die Empfindungsseele macht sich geltend, wenn wir die Dinge der Außenwelt einfach anglotzen. Entziehen wir uns für eine Weile den Eindrücken der Außenwelt, geben wir nicht acht auf sie und verarbeiten wir sie, dann sind wir hingegeben unserer Verstandes- oder Gemütsseele. Wenn wir jetzt dasVerarbeitete nehmen und uns wiederum der Außenwelt zuwendenund zu ihr in Beziehung setzen, indem wir übergehen zu Taten,dann sind wir hingegeben unserer Bewußtseinsseele. Wenn Ihnen zum Beispiel hier der Blumenstrauß vor Augen steht: Solange Sie ihn bloß anschauen und das Weiß der Rose in Ihnen Gefühle auslöst, so lange sind Sie hingegeben Ihrer Empfindungsseele. Wenn ich nun aber das Auge abwende und gar nicht mehr den Blumenstrauß sehe, sondern darüber nachdenke, dann bin ich hingegeben meiner Verstandes- oder Gemütsseele; da verarbeite ich die Eindrücke, die ich erhalten habe, durch Kombination. Wenn ich jetzt deshalb, weil mir der Blumenstrauß gefallen hat und ich die Eindrücke, die er auf mich gemacht hat, verarbeitet habe, mir sage, ich möchte jemandem eine Freude damit machen, wenn ich ihn dann nehme und also zur Tat übergehe, dann gehe ich aus der Verstandes- oder Gemütsseele heraus, dann trete ich über in die Bewußtseinsseele, da trete ich wiederum mit der Außenwelt in Beziehung. Und das ist eine dritte Kraft, die im Menschen sich geltend macht, die ihn befähigt, nicht nur in sich zu verarbeiten die Eindrücke der Außenwelt, sondern wieder mit der Außenwelt in Beziehung zu treten.

Merken Sie, daß wiederum eine Beziehung besteht zwischen dem Wirken der Bewußtseinsseele im Wachen und dem Wirken der Bewußtseinsseele im Schlafen. Wir haben gesagt, wenn ein solcher Einfluß im Schlafzustand vorhanden ist, dann geht der Mensch über in das Nachtwandeln, er spricht und handelt im Schlafe. Nur, wenn er im Schlafe nachtwandelt, wird er durch die Kraft des dunklen Saturn getrieben, bei Tage ist er mit seinem Ich dabei, er handelt bewußt. Dasjenige, was während des Tageslebens auf die menschliche Bewußtseinsseele wirkt, damit sie aus dem gewöhnlichen Leben her. aus zur Selbständigkeit kommen kann, bezeichnen wir als die Kraft des Mondes. Vergessen Sie wiederum, was Sie bisher unter diesem Worte sich vorgestellt haben, Sie werden schon noch verstehen, warum diese Dinge gerade so sind, vorläufig wollen wir diese Namen als Benennungen behalten.

So haben wir also das menschliche Seelenleben verfolgt durch den Schlaf- und durch den Wachzustand. Wir haben gefunden, daß es in drei voneinander getrennte Glieder zerfällt, daß es dreierlei Einflüssen unterliegt. Wenn der Mensch in der Nacht hingegeben ist derjenigen Welt, die wir bezeichnen müssen als die geistige Welt, dann ist er hingegeben den Kräften, die in der Geisteswissenschaft bezeichnet werden als Mars-, Jupiter- und Saturnkräfte. Wenn er während des Tagwachens sein Seelenleben entfaltet durch die Empfindungsseele, durch die Verstandes- oder Gemütsseele und durch die Bewußtseinsseele, dann ist er hingegeben an diejenigen Kräfte, die bezeichnet werden in der Geisteswissenschaft als Venus-, Merkur -und Mondkräfte.


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